Heute denke ich an Pier Paolo Pasolini, der vor fünfzig Jahren ums Leben kam. In seinen Freibeuterschriften (Wagenbach, 13 Euro) wird die Spannkraft seines Denkens deutlich von der Betrachtung ökologischer Verwerfungen wie der Lichtverschmutzung bis zur Kritik der globalen Kulturindustrie, welche zur Auslöschung lokaler Sprachgemeinschaften führte. Womöglich würde Pasolini heutzutage als ein Populist wirken.
In einem Disput mit seinem Kollegen Italo Calvino, den ich immer wieder gerne zitiere, bezeichnete er es als „unselig“, was dieser schrieb: „Die jungen Faschisten von heute kenne ich nicht, und ich hoffe auch, dass ich keine Gelegenheit haben werde, sie kennenzulernen.“
Pasolini entgegnete: „Der Wunsch, nie junge Faschisten kennenlernen zu wollen, ist eine Lästerung, denn wir sollten, im Gegenteil, alles tun, um sie zu finden und mit ihnen zu sprechen. Sie sind nämlich nicht vom Schicksal auserwählte und prädestinierte Ausgeburten des BÖSEN: Sie sind nicht geboren worden, um später Faschisten zu werden. Niemand hat ihnen, als sie halbwegs erwachsen und im Stande waren, sich zu entscheiden — aus Gründen und Zwängen heraus, die wir nicht kennen — rassistisch das Brandmal des Faschisten aufgedrückt. Was einen jungen Menschen zu dieser Entscheidung treibt, ist eine Mischung von grenzenloser Verzweiflung und Neurose, und vielleicht hätte eine kleine andersartige Erfahrung in seinem Leben, eine einzige simple Begegnung genügt, um sein Schicksal anders verlaufen zu lassen.“
Überall sind Menschen, die kämpfen und irren, lieben und hassen und von den Ideologien sich verderben lassen. Pasolini wünschte, dass der Mensch zu seinem (vielleicht animalischen) Ursprung zurückfinde, zur puren Lebendigkeit.