Einen Fotoapparat besaß ich nie. Die Bilder, die sich mir einprägten, behielt ich im Kopf.
Die einzigen Urlaubsfotos, die ich (wie man im Zeitalter der „analogen“ Fotografie sagte:) schoss, kamen dadurch zustande, dass mich das eine und andere Menschenpaar an der Spanischen Treppe in Rom oder dem Wiener Parlament mit der Bitte ansprach, ich möge sie vor dem einen oder anderen Denkmalshintergrund ablichten.
Aus unserer Gegenwart ist die Fotografiererei nicht wegzudenken. Sehr viele Leute laufen ständig mit dem Smartphone herum, das ihnen als Erlebnisaufbewahrungsapparat dient; es ersetzt das wirkliche Leben. Diese Woche habe ich eine Gedenkfeier auf dem Friedhof besucht, die nach meinem Empfinden dadurch entwürdigt wurde, dass aus allen Ecken und Enden die Smartphones aufblitzten.
Nun sollen Menschen es immerhin zur Anklage bringen können, wenn sie sich durch andere belästigt fühlen, die bewusst das sexuell konnotierte Hinterteil im Visier ihrer Kamera haben. Das finde ich richtig. Allerdings ist es nicht das Gesäß, welches die Individualität des Menschen beschreibt, sondern sein Gesicht! Wenn ich nun aber dafür eintreten würde, dass mein Gesicht auf Fotografien, denen ich nicht zugestimmt habe, verpixelt werden müsste, stieße ich auf großes Unverständnis. Die „digitale“ Gesichtserkennung wird von allen möglichen kommerziellen Unternehmen eingesetzt. Viele denken, sie würden ihr Smartphone dadurch vor feindlichen Zugriffen schützen können; in Wirklichkeit verkaufen sie ihr Gesicht an alle möglichen Agenturen, von denen sie gar nichts wissen. Schließlich wird der Staat den Zugriff darauf verlangen, wenn er ein allgemeines Interesse vorschützen kann.
Meiner Ansicht nach sollte es erlaubt sein, sich das Recht auf Anonymität im öffentlichen Raum herauszunehmen. „Zeige, oh, zeige dein Gesicht nicht / Sondern / Verwisch die Spuren!“ schreibt Bertolt Brecht.