Einfach ergreifend

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Es sind immer wieder Schätze zu entdecken.

Dieses Buch hat mich so ergriffen wie wenige andere aus dem vorigen Jahrhundert. Sein Autor heißt Alberto Vigevani, er ist mir alleine daher schon sympathisch, da er Buchhändler und Antifaschist gewesen ist. Es ist das Kaddisch für Tante Joli und Onkel Giorgetto: wie absolut ihre wehrlose Unschuld gewesen war, ruft der Neffe aus und beklagt, wie sie um ihr Leben in heiterer Ruhe gebracht wurden. Ihre Lebenslinien wurden jäh unterbrochen, sie endeten in Auschwitz.  (mehr …)

Das Leben in seiner ganzen Fülle

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Abschiedsfarben heißt (nach Sommerlügen und Liebesfluchten) der neue Geschichtenband von Bernhard Schlink, und diese Farben sind alles andere als düster. Sein Olga-Roman hatte mich zuletzt formal nicht überzeugt, nun aber erkenne ich Schlink als unaufgeregten Autor in seiner schnörkellosen Sprache wieder. Der 75-Jährige vermag es, wie sonst eigentlich nur die großen Zeitgenossen der nordamerikanischen Literatur, in der Kurzgeschichte eine gesellschaftliche Symptomatik erkennen zu lassen, ohne jemals aufdringlich zu wirken. (Na gut, die Sex-Szenen erscheinen schablonenhaft, aber das ging mir bei James Salter auch schon so …)

Das Leid des Einzelnen geht im Leid der Welt nicht auf, das Unvorhersehbare ist es, was uns das Leben in seiner ganzen Fülle spüren lässt. (mehr …)

Der Leser als Voyeur

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978-3-257-06945-7Der Beobachtende ist nie passiv. Jede Silbe des Gesagten hallt in ihm wider, noch so sublime Wechsel in Mimik und Gestik werden von ihm registriert. Wie in einem Traum, streift er sich das Leben eines anderen über. Er betritt das Drahtseil und balanciert. Auf den Handflächen bilden sich Tröpfchen, sein Blick schweift und weicht aus. Die Geschichte zieht ihn tiefer hinein. (mehr …)

Dem Leben ausgeliefert

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42482Wer sich für Menschen interessiert, der beginnt irgendwann zwangsläufig, sich auch für deren (Straf-)Taten zu interessieren, denn nirgendwo tritt das Menschliche im Menschen so unmaskiert, deutlich und unverstellt zu Tage, wie in seinen Verbrechen. Das wusste auch Uwe Nettelbeck, ehemals Reporter für die Zeit, in dessen Gerichtsberichten man nicht nur von so spektakulären Prozessen wie den gegen den „Kirmesmörder“ Jürgen Bartsch oder den Brandstifterprozess gegen Andreas Baader und Gudrun Ensslin liest; man liest von Menschen, geprägt von der Zeit, in der sie leben, und dem Leben ausgeliefert, das sie haben. (mehr …)

Balsam für die Seele

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buchEin sehr sensibles, berührendes Buch über Leben und Sterben, Freude und Schmerz, Finden und Verlieren, Glauben und Spiritualität legt uns die italienische Autorin Susanna Tamaro, fünf Jahre nach Erscheinen ihres letzten Romanes, in die Hände. Der Titel „Mein Herz ruft deinen Namen“ erinnert unwillkürlich an ihren Welterfolg „Geh wohin dein Herz dich trägt“ und dürfte von Gehalt, Intensität, Lebensweisheit und Komposition diesem nicht nachstehen. (mehr …)

Selbstbewusstsein auf der Guillotine

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978-3-596-18114-8„Jemand mußte Josef K. verleumdet haben, denn ohne daß er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet.“ Der einleitende Satz des Romans „Der Proceß“ aus dem Nachlass Franz Kafkas klingt zwar wie ein Schuldeingeständnis, der Bankbeamte Josef K. jedoch hält sich für unschuldig und so tritt er den zwei Gerichtsboten, die an diesem Morgen seines dreißigsten Geburtstags in seinem Zimmer erscheinen, um ihn zu verhaften, mit gehörigem Unverständnis entgegen. „Das Verfahren ist nun mal eingeleitet und Sie werden alles zur richtigen Zeit erfahren.“  (mehr …)

Leiden, Schreiben, Leben

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162_74198_106899_tDer Protagonist dieses Romans, Hans Frambach, wie seine Autorin Iris Hanika 1962 geboren, widmet sein Berufsleben in einem Berliner „Institut für Vergangenheitsbewirtschaftung“ der Erforschung der Lebenswege der von deutschen Nationalsozialisten Verfolgten, das heißt der gewaltsamen Beendigung ihrer Leben. Er muss erkennen, dass alles darüber Nachforschen und Nachsinnen eigentlich zu nichts führen dürfte als wortloser Verzweiflung. (mehr …)