Das Unschwärmerische, was das Dasein verpflichtet

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Auch er ist einmal Soldat gewesen: Max Frisch wurde infolge der Generalmobilmachung im September 1939 zum Militärdienst eingezogen, um als Kanonier die Schweizer Grenze gegen die drohende Invasion der Deutschen zu verteidigen. Sein Vorgesetzter hat ihn veranlasst, seine Eindrücke aufzuschreiben; der studierte Architekt stand erst am Anfang seiner schriftstellerischen Karriere; im Jahre 1940 bereits ist das Buch in Zürich erschienen. 

Es ist wiederum der Atlantis-Verlag, der nun die vollständige Neuausgabe jener Blätter aus dem Brotsack vorlegt (22 Euro). Eine in der derzeitigen Umgebung beeindruckende Leseerfahrung! 

Der Krieg, der beinahe ganz Europa überziehen wird, gilt auch der Existenz dessen, der nicht unmittelbar betroffen ist, als Herausforderung. Die Schönheit der Welt erscheint als eine Zumutung.  (mehr …)

Selbstwahrnehmung, Welterfahrung

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Was Sie auf diesen Seiten lesen, soll Sie dazu anspornen, meine Buchhandlung zu besuchen. So wünsche ich es mir. Ihr Aufenthalt in der Buchhandlung soll ein Bildungserlebnis sein, im besten Falle auch für mich. Die Begriffe der alten Welt, sich mit Dingen befassend Gedanken auszudrücken, sind hier gegenwärtig.

Die Parallelwelt am Computer spiegelt eine Wirklichkeit vor. Ob ein Haufen Informationen das welthaltige Wissen ersetzen kann, ist die Frage. 

Antworten bringt das Buch POSTDIGITAL des Musikers und Philosophen Peter Schmitt. Es lässt uns das Diktat der Digitaliserung erfassen, den Menschen immer weniger humanistisch-reflexiv und dafür mehr technisch-effizient auszubilden. Sich auf der feinpixelig geschmeidigen Oberfläche zurechtzufinden, wird aktuell als Medienkompetenz gelehrt. Somit aber degenerieren wir nicht nur zu Analphabeten der Schriftsprache, sondern sind gleichzeitig Analphabeten der Programmiersprachen geworden.

Die Welt wahrnehmend sich selbst zu erfahren: dazu verhilft nur das Buch! 

Der Traum und das Leben

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BdN_Nerval_Aurelia_Cover_2D_web-26a453f5Gérard de Nerval ist im deutschen Sprachraum nahezu vergessen, obwohl er doch ein großer Kenner der deutschen Literatur war. In der „Bibliothek der Nacht“ liegt nun sein „Le Rêve et la Vie“ (1855) vor, Jahrzehnte vor Freuds und Kafkas Werken entstanden, eine tiefgründige Analyse menschlicher Identität:

„In jedem Menschen gibt es einen Beobachter und einen Handelnden, den der spricht und den der erwidert. Beide durch stoffliche Wahlverwandtschaft an den gleichen Leib gebunden, ist der eine vielleicht für den Ruhm und das Glück bestimmt und der andere zur Vernichtung oder zu ewigem Leiden.“

Vielleicht: ein schönes Wort, aber auch ein grausames …

Wir ahnen unsere Bestimmung, aber wir wissen nicht, ob wir selbst sie erfüllen können oder ob es der andere für uns tut.

Durch das Leben suchend wandern

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u1_978-3-596-90375-7.433806Orlando“ ist der längste Liebesbrief von einer Frau an ihre Geliebte. Es ist die Schriftstellerin Victoria Sackville-West, der Virginia Woolf mit dieser „Biographie“, die den Helden vom 16. Jahrhundert bis über seine Verwandlung zur Frau ins 20. Jahrhundert begleitet, ihre große Bewunderung zeigt, und diese zu einem unvergänglichen literarischen Werk werden lässt. (mehr …)

Am 16. Juni ist Bloomsday

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45816Der Tag, an dem im Jahre 1904 Leopold Bloom durch Dublin geht und diese Stadt erlebt. Im „Ulysses“. Von Joyce.

„Waaas? Dieses Buch spielt an EINEM Tag?? Das ist ja so dick!“ so fragt mein Sohn.

Ja, 1014 ½ Seiten liegen einem hier vor – Dünndruck. In früheren Ausgaben sind es fast 1600.

„Wie ist das möglich? Ist das nicht langweilig?“ (mehr …)

Ohne Bücher geht es nicht

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Jean_Paul_Sartre_Die_Woerter„So hat es mit mir angefangen“, heißt es in diesem Buch, das mich vielleicht am tiefsten geprägt hat: „Ich habe mein Leben begonnen, wie ich es zweifellos beenden werde: inmitten von Büchern. […] Ich blieb allein, entschlüpfte dem banalen Friedhof und kehrte zurück zum Leben, zum Wahnsinn in den Büchern.“  (mehr …)

Die Seele, unsere Substanz

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alles_was_wir_geben_musstenKazuo Ishiguro beschreibt in diesem Roman eine mögliche Zukunft. Er führt uns in eine Welt, in der es zwei menschliche Existenzen gibt, die sich ausschließlich in ihrem Schicksal unterscheiden. Ganz leise führt uns die Protagonistin Kathy H. durch die Geschichte, wenn sie im Jetzt ihres 31. Lebensjahrs eintaucht in Erinnerungen an ihre Kindheit und Jugend: „Ich heiße Kathy H. Ich bin einunddreißig Jahre alt und arbeite inzwischen seit über elf Jahren als Betreuerin. […] Wenn ich jetzt übers Land fahre, erinnern mich immer noch viele Dinge an Hailsham. […] Damals wurde mir zum ersten Mal bewusst, wie viel Glück wir gehabt hatten – Tommy, Ruth, ich, wir alle.“ (mehr …)

Selbstbewusstsein auf der Guillotine

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978-3-596-18114-8„Jemand mußte Josef K. verleumdet haben, denn ohne daß er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet.“ Der einleitende Satz des Romans „Der Proceß“ aus dem Nachlass Franz Kafkas klingt zwar wie ein Schuldeingeständnis, der Bankbeamte Josef K. jedoch hält sich für unschuldig und so tritt er den zwei Gerichtsboten, die an diesem Morgen seines dreißigsten Geburtstags in seinem Zimmer erscheinen, um ihn zu verhaften, mit gehörigem Unverständnis entgegen. „Das Verfahren ist nun mal eingeleitet und Sie werden alles zur richtigen Zeit erfahren.“  (mehr …)